Alte Klettergärten ruhen lassen oder sanieren?

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Kevään
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Alte Klettergärten ruhen lassen oder sanieren?

Beitrag von Kevään » Mo 15.Nov.2010 15:15

hallo allerseits

ich als neugieriger, junger kletterer suche hier an der ersten jurahöhe stets alle aus den wäldern hervorschauenden felsfluhköpfe oder gräte nach kletterrouten ab. dabei bin ich schon auf sehr viel interessantes gestossen. u. a. ein verwaister klettergarten von grösserem ausmass, für den sich wohl niemand mehr zu interessieren scheint.

wie kann so etwas passieren? waren die gründe dafür die boom-zeiten oder dass es secret spots waren? oder gar die politik wie beim säli?

konkret spreche ich von der rebenfluh. Ein felsband oberhalb der gemeinde lostorf/so. Es hat drei - vier verschiedene sektoren. Die routen sind all mit klebehaken erschlossen, die stände mit bohrhaken. Allerdings sind diese ohne standketten versehen; es hängen alte schlingen als bindeglied. Die felsqualität empfinde ich als nicht schlecht, teilweise brüchig. ein sektor ist leicht vermoost und sehr zugewachsen.

weiss irgend wer von euch mehr darüber? Auf dem eingangsschild zum klettergarten war mit mühe zu erkennen, dass dort mal „Herzlich willkomen im Klettergarten Sam & Guido" stand.

Kennt jemand diese beiden oder sind sie bestenfalls auch user hier in dem forum? Würde mich sehr an den topos interessieren und auch über die gründe für den verfall.

beste grüsse

kevään
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hier wucherts...
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Eingang Klettergarten

Patrik Müller
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Re: Alte Klettergärten ruhen lassen oder sanieren?

Beitrag von Patrik Müller » Di 16.Nov.2010 20:15

Hoi Kevään
Der Klettergarten ist erwähnt in "Berührungspunkte zwischen Freiklettern und Naturschutz in den Felsen des Solothurner Jura" vom März 1997. Gebiet Nr. 2-12 Reitiflue/Rebenflue. Aus der dortigen Sicht wurde die Kletterei für die Felsenflora als bedenklich eingestuft. Es geht aber nicht klar heraus, ob damit nur der alte Steinbruch (Reitiflue) oder auch die Rebenflue gemeint ist. Ich weiss auch nicht, was bisher mit dem Bericht geschah, oder wie genau die dort gemachten Erkenntnisse umgesetzt wurden.
Mir ist nicht bekannt, dass für diese Region des Kt. Solothurn eine Kletterregelung besteht. Sollte dieses Gebiet "wiederbelebt" werden würde ich bei der lokalen SAC-Sektion nachfragen.
Liebe Grüsse
Patrik

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guidoammon
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Re: Alte Klettergärten ruhen lassen oder sanieren?

Beitrag von guidoammon » Do 18.Nov.2010 21:14

Salut zäme,
Salut kevään,

auch ich (Guido) habe die Suche nach Neuland gerne betrieben und fand einige interessante Sachen vor. Im Fall von Lostorf war das ganz speziell. Ich erinnere mich noch im Jahr 1998 knapp zwanzig Jahre jung und wild war der Neue Klettergarten eine stille Oase. Zwei Jahre später als Roli den Garten vorbildlich saniert hatte wurde es jedoch immer wie voller und ich hatte inzwischen die meisten Touren abgegrast. Kurz darauf grassierten sogar Kletterverbotsgerüchte da die nun neuen Haken zu sehr glitzerten. So lag es auf der Hand das etwas Neues her musste. Ein Secret Spot nach Hasliberger Tradition! So entdeckte ich am 23.April 1999 die Rebenfluh. Und da waren auch Haken vorhanden! Alte selbst gebastelte, in der Route Stein aufs Herz am Felskopf im Wald. Weiter hinten hatte es die Zwei - seillängentour zum Kreuz hoch. Ansonsten kletterte ich und Säm die Touren mit Keilen, Friends und Bandschlingen clean. Bis uns das ganze doch zu wild wurde. Ich erinnere mich noch gut an eine weite Rutschpartie wo dann der Fels nachträglich von allem Efeu befreit war und alles an mir schmerzte!! Ab dem Sommer wurden dann die Routen eingebohrt. Zuerst in den drei Felsköpfen im Wald. Ab 2000 wurde auch die Hauptwand eingebohrt.

Alles in allem kamen wir immer mit der Langenthaler Clique hierhin klettern und kletterten die 6b-6c Routen um fit zu werden für die langen Touren im Berner Oberland. Es standen uns etwa 20 Routen zur Verfügung. Einige Male verirrten sich auch weitere Kletterer dorthin jedoch mochten sie die z.t. runouts und die Vegetation in den Routen nicht so. So blieb es immer ruhig und wir hatten wahrhaftig unseren Klettergarten. Das Töri am Eingang bezeugt jedoch das jedermann gerne gesehen ist. Nicht nur von den Erschliessern sondern auch von den Landbesitzern. Hans Schaffner aus Lostorf lernte ich dann auch kennen und als Lostorfer wusste er natürlich einiges über die Rebenfluh. Es war die Zeit von 1999-2003 wo ich mit Sämi am meisten in Lostorf war. Also der Boom waren gerade zwei Personen;-) Danach wurde es ruhiger und auch die harten Routen wurden nie geklettert. Ich wanderte nach Paris aus. Im Jahr 2006 war ich wieder zurück und bohrte noch einige leichtere Routen. Doch ohne Pflege sind die Pflanzen überall stark gewachsen. Einige Routen wurden unkletterbar, andere gehen immer noch gut. Ein Farnernzähne zwei wollte ich nie, lieber ein Mammut zwei und somit entstand dann 2007 Scalamalade. (Sorry für die Eigenwerbung ist ein Grund dass ich weniger klettern gehe!) Dafür habe ich immer neue Hosen;-)

Lostorf soll der stille Klettergarten bleiben. Ich habe darüber lange mit Christoph Girardin gesprochen welcher im 2011 einen neuen Kletterführer über den Berner/Solothurner/Aargauer Jura herausgeben wird. Er war interessiert und fragte mich betreffend einer Publikation. Ich entschied mich dagegen da es mir doch ein grossen Aufwand erscheint alle Routen herzurichten, heute sind es rund 45. Auch betreffend der Naturschutzfrage könnten da einige Soziokulturelle grün argumentieren, und wir uns wieder blau ärgern, wenn da Pflanzen verschwinden. Wer klettern gehen will der soll die Ruhe geniessen und kann evtl. noch die eine oder andere FA heimholen. Ich hoffe ich stosse auf Verständniss da ja der Fels auch nicht immer über alle Zweifel erhaben ist.

Ein Topo kann ich dir anbieten. Schreib mir ein Email an: guido.ammon@scalamalade.com dann sende ich dir dieses gerne zu.

Gruess Guido
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Kevään
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Re: Alte Klettergärten ruhen lassen oder sanieren?

Beitrag von Kevään » Fr 19.Nov.2010 11:32

Hallo zusammen

cool, rückmeldungen... danke! :D

@patrik,

Recht herzlichen dank für deine info. Den sac olten hätt ich als nächstes angefragt, aber mit der antwort von guido hat sich das wohl erledigt.

@ guido,

Danke für die offenlegung der hintergründe. Hugh, als routenbauer/erschliesser bestimmst du ja weitgehend über dieses gebiet, somit werde ich dir noch eine laaange mail schreiben.

beste grüsse

kevään

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guidoammon
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Re: Alte Klettergärten ruhen lassen oder sanieren?

Beitrag von guidoammon » Sa 15.Mär.2014 21:27

Mit dem Prachtswetter diesen Winter zog es mich sehr schnell an den Fels. So war ich nach 2 Jahren wieder einmal in Lostorf zum Klettern. Die Wand hat ziemlich viel Heu abbekommen. So wollte ich wieder mal einige Touren säubern und auch einen kleinen Lagebericht erstellen für alle Interessierten.

Felsköpfe im Wald:
Sektor Waldfee links und rechts
---Tip-Top sauber Klettergenuss pur!
Sektor Tanne
---Arg vermoost und viel laub, einige Bürstenstriche werdens richten

Hauptwand:
Sektor Gipfelwand, unter dem Gipfelkreuz
--- :( Arg vermoost Kletterfrust
Sektor Riviera, links beim Bänkli
---Sub-optimal aber die lohnenden zwei Routen sind Klettergenuss pur!
Weitere Sektoren hinten
---Von Route zu Route unterschiedlich jedoch je weiter nach hinten je mehr Heu in den Routen.

Viel Spass beim heuen und klettern!
I love Scalamalade!
http://www.scalamalade.ch

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